Das 12 Schritte Programm ist für Alkoholiker immer noch die beste Medizin

von Dr. James West (vormals Medical Direktor des Betty Ford Centers, USA). Veröffentlichung in der „Los Angeles Times„ (frei übersetzt von Rolf-Dieter Bollmann)

 

Frage: Welche Art von Behandlung halten Sie als die Beste? Welche funktioniert am besten?

Antwort: Über Jahrhunderte wurden die verschiedensten Arten einer Behandlung erprobt und die meisten davon waren erfolglos. Doch in den letzten 70 Jahren fanden Alkoholiker ihre Genesung im 12 Schritte Programm der Anonymen Alkoholiker.

Diese 12 Schritte sind das Fundament und in den Protokollen aller großen Behandlungseinrichtungen in den USA niedergeschrieben.

Die Erfolgsquoten, basiert auf einer breiten Datenmenge (65.000 Patienten), weisen eine Genesungschance (d.h. eine nicht unterbrochene Abstinenz) von 65% innerhalb eines Jahres nach einer Behandlung aus. Dies ist ein bedeutsamer Indikator von anhaltender Genesung.

Von den ca. 35% die innerhalb eines Jahres einen Rückfall erlitten, zeigen uns Schätzungen, dass ein Drittel davon ihre Genesung im zweiten Jahr nach der Behandlung erreichten.

In den 12 Schritten liegt eine tiefgreifende mentale Therapie. Und sie ist einzigartig. Diese Behandlung erfüllt die Bedürfnisse hoch qualifizierter Psychotherapeuten oder Psychiater ebenso wie Menschen, die eine geringe Ausbildung haben. Die 12 Schritte sind im Grunde genommen ein Fundament für mentale Gesundheit ob es nun Alkoholiker sind oder keine.

Frage: Was ist die jährliche Zahl an Menschen die an Alkoholismus sterben?

Antwort: In den USA sterben jährlich 107.800 Menschen (5%) von allen Todesfällen. Nur Herzerkrankungen, Krebs und Schlaganfälle liegen höher als 5%.

Frage: Bitte erklären Sie die negativen Veränderungen in der Persönlichkeit eines Alkoholikers. Mein Mann ist ein schwerer Trinker (nur Bier). Er war mal sehr angenehm und humorvoll aber jetzt, nach nur ein paar Bier ist es nicht mehr erträglich. Er ist immer verärgert oder wütend auf irgendjemand obgleich ihn niemand angesprochen, geschweige denn verärgert hat. Selbst wenn niemand etwas gesagt hat, meint er „ich weiß was Du denkst„.

Unsere Kinder haben schon sehr früh gelernt keine Freunde nach Hause zu bringen, weil ihr Vater am Abend immer wütend ist. Am Morgen, bevor er zur Arbeit geht mag er sogar in guter Laune sein, aber schon nach ein paar Bier am Abend verändert er sich vollkommen. Er versteht auch nicht warum ihn alle vermeiden. Seine ganze Persönlichkeit hat sich verändert über die Jahre. Nun ist das Leben mit ihm nahezu unerträglich.

Antwort: Bei schweren Langzeittrinkern entwickelt sich ein Gehirnschaden der dafür verantwortlich ist, dass sich die Persönlichkeit verändert, hin zum Schlechten. Diese Veränderungen schließen eine niedrige Frustrationsschwelle (hohe Reizbarkeit), Intoleranz, Vergesslichkeit und Konfusion, Wutausbrüche, Gewalt und Gedächtnisverlust ein bereits mit ein paar Gläsern Bier.

Schwere Langzeittrinker verlieren ihre Toleranz für Alkohol. Die psychologischen Veränderungen des Trinkens von Alkohol sind dann das Gegenteil von dem, was früher ein oder zwei Glas Bier mit Genuss bewirkt haben.

Diese Menschen können immer noch bei der Arbeit funktionieren und auch in ihrer familiären Umgebung wenn sie nicht vor oder während der Arbeit trinken. In dem Moment wo sie ein Glas Alkohol getrunken haben, macht sich der Gehirnschaden bemerkbar. Chronische Trinker – wie Ihr Mann – werden bei Intelligenztests als sehr niedrig eingestuft, weil viele ihrer Gehirnzellen bereits tot sind.

Des weiteren hat es sich herausgestellt, dass Langzeittrinker, d.h. 6 oder 12 Dosen Bier (a 0,33l), zu einem mentalen Abgang führen kann (und meist wird) das auch der Alzheimer Krankheit ähnlich ist.

In der Tat erscheinen die vielzähligen Symptome, die Sie in Ihrem Brief schreiben, nahezu identisch sind mit der Alzheimer Krankheit.

Trotzdem gibt es gute Nachrichten: Die meisten organischen Gehirnschäden werden verschwinden, wenn der Alkoholiker über eine lange Zeit abstinent lebt.

Es erscheint unausweichlich, dass Sie eine strukturierte Familienintervention veranlassen, damit Ihr Mann in eine Behandlung kommt. Sie und Ihre Kinder sollten sich ebenfalls therapeutisch behandeln lassen.

Dr. James West, M.D